WELT-Serie über Hamburger Innovationen: Materialforschung und Produktionstechnologien sind ein Markenzeichen der Metropolregion Hamburg. Etliche Unternehmen wie etwa Comprise Tec GmbH arbeiten daran mit. Deren Chef sagt: „Jedes eingesparte Kilo spart Treibstoff- oder Batteriekosten“. Im Haus 12 des Gewerbehofs Neuhöfer Straße 23 entstehen weiße glänzende Teller und Tassen, die aussehen wie aus Porzellan, sich so anfühlen und sogar so klingen, wenn man sie aufeinanderstellt. Doch tatsächlich sind sie aus nano- und mikroverstärktem Kunststoff. Auch Bauteile für Flugzeugkabinen und Servierwagen werden hier aus leichtem und günstigem carbonfaserverstärktem Kunststoff (CFK) gepresst. Leicht und gleichzeitig stabil – diese Eigenschaften machen CFK zum idealen Material, wenn es darum geht, Gewicht einzusparen. In der Luftfahrt ist das so, im Automobilbau auch. „Jedes eingesparte Kilo spart Treibstoffoder Batteriekosten“, erläutert Christian-André Keun, Geschäftsführer der Firma Comprise Tec im neuen Technikum im Wilhelmsburger Gewerbehof und „Vater“ des leichten Geschirrs, das demnächst erstmals in Lufthansa-Maschinen verwendet werden soll. Wer sparen will, muss abnehmen. Die Teller und Tassen von Comprise Tec haben eine weitere positive Eigenschaft: Sie bleiben selbst bei Temperaturen von 200 Grad Celsius stabil. So kann die Bordküche über den Wolken frisch gebrühten Kaffee, warme Brötchen oder ein Mittagessen servieren, das eben aus dem Ofen kommt. Hamburg hat Tradition in Sachen Materialentwicklung. Ein Beispiel ist Kautschuk: Die Gummiwerke Phoenix in Harburg, 1856 gegründet, bis zur Übernahme durch Continental 2004 einer der größten deutschen Hersteller von Autoreifen, Schläuchen, Dichtungen und PRINT Förderbändern, oder das 1863 gegründete Handelshaus J. Meinert in Niendorf, Spezialist für Gummi-Metall-Verbindungen sowie Gummi- und Kunststoffartikeln, haben den Ruf der Metropolregion als Kautschuk-Zentrum geprägt. Zu den großen Hamburger Unternehmen der Branche, die sich mit thermoplastischen Kunststoffen beschäftigen, gehört Albis Plastic in Rothenburgsort. Das Unternehmen mit 1200 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von gut 900 Millionen Euro vertreibt technische Thermoplaste von Konzernen wie BASF, Covestro und Lanxess. Zudem entwickelt und produziert Albis Plastic hoch spezialisierte Kunststoffe mit ungewöhnlichen Eigenschaften – aktuell Verbundmaterialien für den 3-D-Druck. Ähnlich aufgestellt ist Lehmann&Voss&Co. Das 1894 gegründete Unternehmen am Alsterufer (Jahresumsatz der Firmengruppe: 350 Millionen), das weltweit 570 Mitarbeiter hat, steht ebenfalls auf zwei „Beinen“: dem Handel mit chemischen und mineralischen Spezialitäten und der Entwicklung und Produktion hoch spezialisierter Polymer-Werkstoffe. Lehmann&Voss&Co. gehört 2017 zu den von einer Wissenschaftler-Jury ausgezeichneten 100 „Innovationsführern des deutschen Mittelstands“. Wissenschaftlich mit innovativen Materialien beschäftigen sich in der Metropolregion zum Beispiel die Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) und die Technische Universität Hamburg Harburg (TUHH). Professor Bodo Fiedler, Leiter des Instituts Kunststoffe und Verbundwerkstoffe, sieht sein Haus „sehr gut positioniert“. Werkstoffforschung betreibt auch das Helmholtz-Zentrum in Geesthacht. Zusammen mit Forschern der TUHH und des Forschungszentrums Desy wurde 2016 eine neuartige Methode entwickelt, mit der ein auf Nanopartikeln basierendes Material mit hoher Elastizität und Festigkeit hergestellt werden kann. Eingesetzt werden kann das Material beispielsweise für Zahnfüllungen oder zur Herstellung von Uhrengehäusen. Zu den Formteilen, die Comprise Tec mit seinen 15 Mitarbeitern herstellt, gehören Faserverbund-Heckdeckel für den SL von Daimler und den neuen 8er BMW sowie Bodenstrukturen und hoch belastbare Träger. Die Mannschaft um Ingenieur Keun, der an der Neuhöfer Straße 500.000 Euro investiert hat, realisiert für ihre Kunden zudem die für eine Serienfertigung notwendigen Technologien und Abläufe.  Mehr lesen

Bericht von Von Jürgen Hoffmann (WeltN24 GmbH)